Brieftaube gefunden - was tun?


Es kommt vor, dass Brieftauben von ihren Wettflügen nicht am selben Tag nach Hause finden: Entweder, weil sie auf der Strecke von Greifvögeln angegriffen wurden und panisch reagieren, oder weil sie sich nach dem Auflass dem falschen Taubenschwarm angeschlossen haben und ihren Fehler erst nach mehreren hundert Kilometern bemerken. Gelegentlich werden auch Jungtiere direkt am Heimatschlag von Greifvögeln verjagt. Ihnen fehlt nach der Flucht dann die zur Heimkehr nötige, aber noch nicht genügend ausgebildete Orientierung.
Meist landen solche Tauben bei Brieftaubenzüchtern. Der Grund: In der Zeit von März bis September fliegt bei einem Züchter mindestens einmal am Tag ein Taubenschwarm ums Haus; außerdem sind die Einflugbretter, die Fanggabeln, die Dachvolieren, den Tieren vertraut. Mit Brezelstücken auf Fußgängerzonen und Ruheplätzen auf schmalen Fenstersimsen können Brieftauben dagegen in aller Regel recht wenig anfangen.
Es kommt jedoch auch vor, dass Brieftauben bei Leuten landen, die keine Tauben halten. Das hat vor allem zwei Gründe: entweder sie haben großen DURST oder sie sind VERLETZT.

Unser kuriosester Fall war unsere Täubin Nummer "410": Diese flog an einem heißen Juli-Abend in Jahr 2007 auf ihrem Heimflug von Ostende nach Freisbach in Kaiserslautern in den fünften (!) Stock eines Hochhauses, dort durch die geöffnete Balkontür in die Wohnung und drinnen schnurstracks auf den Esstisch! Warum? Der Wohnungsinhaber hatte sich gerade ein Glas Wasser eingeschenkt!
Womit klar wäre, was alle Tauben als erstes suchen und dringend brauchen: WASSER!

Brieftauben sind meist sehr zutraulich. Es kann jedoch vorkommen, dass ein Tier scheu ist oder mit dem angebotenen Wasserbehälter nichts anfangen kann und darum nicht zum Trinken kommt. Vor allem im Freien ist folgender Trick hilfreich: Eine Schale (Glas, Ton, Blumenuntersetzer, etc.) auf die Erde stellen und mit einer Gießkanne langsam und plätschernd mit Wasser füllen, so dass das Tier sieht und hört, wo es etwas zu trinken gibt.
Fliegt es nach dem Trinken zur Sicherheit gleich aufs nächste Dach, ist es in der Regel auch fit genug, um alleine die Heimreise anzutreten. Es wird jedoch nach kurzer Zeit noch einmal zum Trinken herunterkommen. Dann sind zur Fütterung auch Haferflocken, Reiskörner oder Sonnenblumenkerne kein Fehler. Es kann auch möglich sein, dass das Tier ein paar Tage lang immer wieder kommt, um "aufzutanken", ehe es kräftig genug ist, den Heimweg anzutreten.

Bleibt eine Taube jedoch apathisch sitzen, empfiehlt es sich, sie SOFORT zu fangen. Denn je mehr sie sich erholt, desto schwieriger wird dieses Vorhaben später. Eine unserer Autorinnen (siehe die Brieftaubengeschichte "Sally") rät, einen Wäschekorb überzustülpen. Dies gelingt vor allem bei sehr erschöpften Tieren. Man kann auch versuchen, die Taube ganz langsam und mit ausgebreiteten Armen oder mit einem breiten Karton, Handtuch, etc. in eine Ecke oder einen Schuppen zu treiben und einzusperren.

Bevor Sie nun nach Hilfe telefonieren, muss klar sein, dass es sich um eine BRIEFtaube handelt. Brieftauben haben zweierlei Ringe an den Füßen: An ihrem rechten Fuß einen bunten Verbandsring (bei den deutschen Tauben je nach Jahrgang rot, gelb, blau, grün oder hellgrau), der eine lange, schwarze Ziffernfolge trägt: mit 4- bis 5-stelliger Vereinsnummer, beginnend mit einer 0, dem Jahrgang, der Abkürzung DV und einer 1- bis 4-stelligen, laufenden Nummer. An ihrem linken Fuß trägt eine Brieftaube einen dickeren, oft schwarzen, elektronischen Ring mit einer aufgeklebten Telefonnummer: Dies ist die Telefonnummer des Eigentümers!
Auch Rassetauben tragen häufig ein oder zwei Ringe an den Füßen: dies sind jedoch meist sehr schmale Plastikringe mit einfachen, laufenden Nummern (ohne Vereinsnummer), die nicht bundesweit registriert sind, das heißt, man kann den Züchter nicht ermitteln.

Ist die Taube gefangen und die Telefonnummer bekannt: Bitte den Züchter anrufen!
Gelingt dies nicht, kennen Sie vielleicht in Ihrem Wohnort einen Taubenzüchter und bitten diesen um Unterstützung. Ansonsten hilft die Internetseite des Verbandes deutscher Brieftaubenzüchter weiter: Unter www.brieftaube.de und "Vertrauensmann suchen" können Sie einen vom Verband beauftragten Vertrauensmann in Ihrer Nähe ausfindig machen: dieser wird die Taube bei Ihnen abholen - allerdings nur, wenn das Tier festsitzt. Denn: Eine Taube auf einem fremden Dach kann auch der beste Brieftaubenzüchter nicht herunterlocken!
Auch wenn die gefundene Taube tot sein sollte, weil sie zum Beispiel von einem Greifvogel geschlagen wurde oder in eine Stromleitung geflogen ist, sollten Sie diese bitte melden: Der Züchter weiß dann, was mit seinem Tier geschehen ist.

Aus aktuellem Anlass hier ein wichtiger Nachtrag zum Thema Wasserversorgung: In dieser Saison wurde mir eine Taube gemeldet, allerdings erst einen Tag, nachdem sie bei fremden Leuten gelandet war. Diese hatten in bester Absicht ein Schälchen Wasser und Taubenfutter in einen großen Käfig gestellt und die Taube dazugesetzt. Das Tier, erzählten sie mir am Telefon, hätte sich aufgeplustert und würde ruhen; es ginge ihm gut. Als ich hinkam, um die Taube abzuholen, war sie tot - sie war, weil sie das Wasser nicht fand, verdurstet ...
Gerade wenn es sehr heiß ist und sich eine Taube verirrt und dann in Panik verausgabt, hat das Tier viel Flüssigkeit verloren. Diese Tauben blinzeln, d.h., sie drücken immer wieder die Augen zu: ein sicheres Zeichen für großen Durst. Auch sehen sie dann schlecht. Was tut man in diesem Fall? Man nimmt ein Schälchen und füllt es mit lauwarmem Wasser, greift sich die erschöpfte Taube und taucht ihren Schnabel ins Wasser, lässt sie aber zunächst nur ein, zwei große Schlucke davon trinken! Das ist wichtig! Denn das Tier soll sich im überhitzten Zustand nicht vollsaufen, schon gar nicht mit kaltem Wasser! Ein Kreislaufversagen könnte die unmittelbare Folge sein!
Man setzt das Tier in einen Käfig oder unter einen Wäschekorb, streut Futter aus und stellt das Wasserschälchen dazu. Nachdem die Taube sich erholt hat, ist die Chance viel größer, dass sie beides findet. In jedem Fall hat man aber schon einmal die richtige "Erste Hilfe" geleistet.

Und wie ist es damals mit unserer "410" ausgegangen?
Der Wohnungsinhaber hat sie neben ein Schälchen Wasser auf den Balkon gesetzt. Und dort blieb sie - sehr zu seiner Freude - die ganze Nacht über sitzen. Dies war umso erstaunlicher, als der Mann am Abend Besuch bekam. Die Täubin leistete dieser (extra wegen ihr nur in gedämpfter Lautstärke) feiernden Runde bis in die Morgenstunden Gesellschaft. Um 5.45 Uhr, mit der aufgehenden Sonne, flog sie davon. Und erreichte Freisbach um 6.30 Uhr ...


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